Rahel Tschopp: «Ich bin enorm ehrgeizig»

12.07.2018 00:00

Rahel Tschopp: «Ich bin enorm ehrgeizig»

Die 18-jährige Innerschweizerin Rahel Tschopp gehört zum Schweizer Kader an der laufenden U-19-EM-Endrunde in der Schweiz. Der Fussball sei ihr in die Wiege gelegt worden – und auf höchster Stufe verfolgt die Footura-Spielerin mit viel Ehrgeiz ihren Weg, der dereinst ins A-Nationalteam führen könnte.

Es ist ein sonniger Donnerstagmorgen in Weggis. Die Traktoren kurven durch die Gassen, der Vierwaldstättersee glitzert freudig, die Rotmilane ziehen ihre Kreise über der Thermoplan-Arena und beobachten aus der Luft interessiert, was sich hier abspielt. 20 Fussballerinnen stecken mitten in der Vorbereitung für die U-19-Europameisterschaft in der Schweiz, die eine Woche später beginnen wird. Etwas abseits lässt sich Rahel Tschopp von einer Physiotherapeutin behandeln. «Eine Knochenhautentzündung am rechten Schienbein hat sich zurückgemeldet», erzählt die 18-jährige Mittelfeldspielerin des FC Luzern.

Sie hat kein einfaches Jahr hinter sich in Sachen Verletzungen. Die hohe Belastung, die sie fuhr im vergangenen Jahr, führte zu einem Ermüdungsbruch am Schambein. Fast sechs Monate war sie ausser Gefecht, erst im März 2018 konnte sie ihr Comeback in der Nationalliga A geben. «Vielleicht habe ich am Anfang etwas kompensiert und hatte noch nicht ganz die Kraft für den Fussball.» Daraus entstand die Entzündung im Schienbein. Mit Behandlung und Schonung verschwindet die Verletzung wieder, und so konnte sie im Frühjahr weitestgehend durchspielen und nun auch die Vorbereitung mit dem U-19-Nationalteam von Trainerin Nora Häuptle lange Zeit ohne Probleme durchziehen.

Das Gefühl für den Ball

Dass sie nun, am letzten Tag des Haupttrainingscamps für die EURO in Weggis, nicht mit dem Team trainieren kann, das sich im Beisein von Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg mit Spielauslösungen und standardisierten Bewegungsmustern für Flügelangriffe beschäftigt, ist mehr eine Vorsichtsmassnahme. «Natürlich will ich an der EM dabei sein, wir haben uns nun lange Zeit auf dieses Ereignis vorbereitet», sagt Rahel Tschopp.

Sie gehört zu den fixen Grössen des 20 Spielerinnen umfassenden Kaders der Schweiz. In den Medien wurde sie gar schon als «Supertalent» bezeichnet. Ihr selbst ist das weniger angenehm, und sie verhält sich auch keineswegs so, als ob sie nichts mehr zu lernen hätte. Natürlich, «der Fussball wurde mir in die Wiege gelegt, das Gefühl für den Ball wohl auch», sagt sie. Aber Fussball hat auch mit Trainingsfleiss, mit Wille, mit Ehrgeiz zu tun. Und diese Eigenschaften bringt Rahel Tschopp genauso ein. Sie sagt sogar: «Ich bin enorm ehrgeizig.»

Zum Fussball kam sie durch ihre Familie. Der Vater und ihre zwei älteren Brüder haben sich schon für diesen Sport begeistert, «in meiner Kindheit haben wir wohl in jeder freien Minute Fussball gespielt». Wie ihre Brüder schloss sie sich in jungen Jahren den F-Junioren des FC Sachseln in ihrer Obwaldner Heimatgemeinde an. Dort spielte sie noch mit vier anderen Mädchen, nach und nach wurden es aber weniger. Später kickte sie für das Auswahlteam Obwalden, ehe sie sich der U-14 des FC Luzern anschloss und fortan unter lauter Jungs spielte. Sie gehörte auch dort zu den auffälligen Spielern. 2014 kam sie in die Credit Suisse Football Academy des Schweizerischen Fussballverbands in Biel. Sie hatte das Glück, bei ihrer Cousine in Biel wohnen zu können. «Am Anfang mussten wir uns an die Belastung gewöhnen, sieben Mal Training in der Woche, das kannte bis dahin niemand.» Die intensive Ausbildung und die vielen engen Freundschaften sind das, was aus dieser dreijährigen Zeit geblieben ist.

Captain in der U17

Schon bald zeichnete sich ab, dass Rahel Tschopp noch ein bisschen mehr Anlagen mitbringt als andere. Sie wurde ein Jahr zu früh in die Schweizer U-17-Auswahl berufen, spielte dort zweimal die Elite-Runde der EM-Qualifikation, 2016 in Österreich, 2017 als Captain des Teams in den Niederlanden. Die Qualifikation für die Endrunde schafften die Schweizerinnen in beiden Turnieren nicht ganz, nun aber – auf Stufe U-19 – wird Rahel Tschopp ihre erste Endrunde der noch jungen Karriere erleben. «Wir freuen uns enorm, die WM in Russland hat gezeigt, wie kleinere Teams die grösseren schlagen können.» Die Schweizerinnen wollen sich diesen Grundsatz ebenfalls zugrunde legen, das ist auch nötig, denn mit Frankreich, Norwegen und Spanien sind die Vorrundengegner namhaft. «Für uns sprechen der Teamgeist und die Tatsachen, dass wir nicht als Favorit antreten und vor heimischem Publikum spielen können», sagt Tschopp. Dazu würde die Schweiz über ein starkes Flügel- und Passspiel und über eine solide Verteidigung und Torhüterin verfügen. Für die EURO wurden auch Géraldine Reuteler und Alisha Lehmann nominiert, die beide schon Erfahrungen im A-Nationalteam der Schweiz gesammelt haben.

Seit Sommer 2016 besucht Rahel Tschopp das Sportgymnasium in Luzern. «Ich bin eine Person, der Schule und Bildung sehr wichtig sind», sagt die Mittelfeldspielerin. Mit der aktuellen Lösung, die noch drei weitere Jahre so bestehen bleibt, ist sie sehr zufrieden. Zweimal wöchentlich kann sie so das Morgentraining des NLA-Teams des FC Luzern besuchen. Der Fussball spielt eine wichtige Rolle in ihrem Leben. Während ihrer Verletzung im vergangenen Jahr hätte sie aber auch gespürt, «dass es noch andere Dinge gibt.» Nun sagt sie, dass «ich die drei Jahre Ausbildung in der Schweiz sicher beenden möchte und daneben Fussball spiele, solange ich wie jetzt grossen Spass daran habe.»

«Mental ein Profi»

Rahel Tschopp ist keine junge Frau, die mit dem Lautsprecher durch die Gegend läuft. Sie wirkt zurückhaltend und überlegt. Genauso scheint ihre Karriere aufgebaut. Sie trifft ihre Entscheide dann, wenn sie getroffen werden müssen. Irgendwann wird sich die Frage nach dem nächsten Schritt stellen. Bislang war es so, dass sie ihre Chancen jeweils entschlossen gepackt hat. «Mental ist Rahel Tschopp längst ein Profi», sagte Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg im Jahr 2016 in einem Artikel von Nationalteampartner Credit Suisse. Auch sie sieht die Spielerin als «Ausnahmetalent». Sie verfüge über Stärken wie Explosivität, Beidfüssigkeit, Raum- und Ballgefühl und sei ausserdem eine Teamplayerin.

Das sind Qualitäten, die den Weg ein Stück weit vorzeichnen. Wie fragil Planungen im Fussball sein können, erfuhr Rahel Tschopp mit ihrer Verletzung im vergangenen Jahr. Auch diese Situation hat sie mit Gelassenheit gemeistert. «Ich wollte mir keinen Stress machen, das erste Ziel war immer, wieder fit zu werden. Ich habe sehr viel für meinen Körper gemacht.» Sie habe zu Beginn der Regenerationszeit bewusst etwas Distanz zum Fussball genommen und abgeschaltet. Mit U-19-Nationaltrainerin Nora Häuptle blieb sie über die ganze Zeit im Kontakt, «ich fühlte mich immer als Teil des Teams und war nie wirklich weg». Es dauerte indes lange bis zu ihrem ersten Einsatz für das U-19-Nationalteam. Am  7. April gegen die USA durfte sie im zentralen Mittelfeld eine Halbzeit bestreiten.

(ds)