Dimitri Oberlin: Frei im Kopf

21.09.2017 10:19

Dimitri Oberlin: Frei im Kopf

Der Schweizer U-21-Nationalspieler Dimitri Oberlin hat nach zwei Jahren und einer schwereren Verletzung im Frühjahr in Österreich den Weg zurück in die Schweiz gefunden und spielt für ein Jahr leihweise beim FC Basel 1893. Er hat ein bewegtes Fussballjahr hinter sich und will nun sein grosses Talent bestätigen.

Am 27. März 2017 hatte die Schweizer U-20 Deutschland in einem Testländerspiel in Biel mit 2:1 besiegt. Dimitri Oberlin zog sich einen Muskelbündelriss am hinteren Oberschenkel des linken Beins zu und musste frühzeitig ausgewechselt werden. Erst Ende Mai, im letzten Saisonspiel von Red Bull Salzburg in der österreichischen Bundesliga, wurde er für eine halbe Stunde eingewechselt. Doch mit dem Comeback war die Sache noch nicht vollständig abgehakt. Nach zwei Wochen meldete sich der Oberschenkel zurück, Oberlin musste neuerlich pausieren. Die Verantwortlichen um den neuen Trainer Marco Rose spürten die Unsicherheit und die noch nicht wiedererlangte Fitness, sie nahmen ihn nicht ins Kader für die Champions-League-Qualifikationsspiele und Oberlin wusste bald, dass er in Salzburg vor schwierigen Zeiten stehen könnte. „Der neue Trainer hatte seine Spieler und sein Team gefunden, da wäre es für mich nicht einfach geworden, mich durchzusetzen“, sagt Oberlin.

Die Lösung mit Basel
Und so passierte das, was in solchen Fällen im modernen Fussball oft passiert. Es wird nicht nur ein Lösung gesucht, sondern eine neue Herausforderung. Und da kam der Kontakt mit Marco Streller, dem neuen Sportdirektor des FC Basel 1893, wieder zustande. Schon im Winter hatte man sich unterhalten, im Sommer wurde neuerlich über Möglichkeiten diskutiert, dann gab es eine Verhandlungspause, bis die Sache kurz vor dem Saisonstart sehr schnell konkret wurde. Zustande kam ein leihweises Engagement für ein Jahr mit Option auf eine definitive Übernahme im nächsten Sommer. Der Vertrag in Salzburg würde dann ohnehin auslaufen – und Oberlin hofft, dass er in Basel jene Erfahrung sammeln und jenen Eindruck hinterlassen kann, der seine Zukunft am Rheinknie regeln würde. Er hat ein bewegtes Jahr hinter sich, in vielerlei Hinsicht. Zunächst wurde er von Salzburg im Sommer 2016 zum SCR Altach ausgeliehen. Er schlug dort ein, so sehr, wie es kaum jemand erwartet hatte, vielleicht nicht einmal er selbst. In den ersten fünf Saisonspielen gelangen ihm sechs Treffer, Altach entwickelte sich zur Überraschungsmannschaft der Bundesliga. Oberlin traf weiter, zur Winterpause war er bei neun Toren angekommen. Und der SCR Altach stand an der Tabellenspitze, zwei Zähler vor dem grossen Branchenleader Red Bull Salzburg. Dort entschied man sich, den Leihspieler Oberlin in die eigenen Reihen zurückzuholen. „Ich musste das akzeptieren“, sagt Oberlin, der den Entscheid im Nachhinein als richtig beurteilt. „Salzburg ist das beste Team in Österreich, es tritt in den meisten Spielen dominant auf, als Stürmer hat man hier mehr Möglichkeiten, für mich war das keine schlechte Entscheidung.“ Der Anfang des zweiten Anlaufs bei den roten Bullen war optimal, gleich im ersten Rückrundenspiel traf Oberlin. Dann folgte die Reise zur U-20, die Verletzung und das vorzeitige Saisonende. Es ist die erste schwerere Blessur in seinem Fussballerleben.

Selbstvertrauen und Freude
Es dauerte jedoch nicht lange, bis er auch in seinem neuen, rot-blauen Trikot ins gegnerische Tor traf. In Basel fühlt er sich aber gut aufgehoben, er spürt, dass er ein Spieler ist, dem man holen wollte und dem man deshalb auch Vertrauen schenkt. „Ich gewinne wieder an Selbstvertrauen und Freude.“ Er hat eine Wohnung im basellandschaftlichen Oberwil bezogen, sich nun auch gedanklich fast vollständig von seiner schweren Verletzung im Frühjahr erholt und sagt, dass „ich mich Schritt für Schritt wieder an die Schweizer Meisterschaft gewöhne.“ Es stehen wichtige Wochen bevor – in der Super und in der Champions League mit dem Club, mit der Schweizer U-21 auf dem Weg zur erhofften EM-Qualifikation, bei der er die Tage mit der Auswahl geniesst: „Mit vielen Spielern bin ich seit der U15 im Nationalteam.“

Die Kindheit in Kamerun
Mit acht Jahren hatte Dimitri Oberlin sein Heimatland Kamerun verlassen. Er folgte gemeinsam mit seinem Bruder seiner Mutter in die Westschweiz, wo sie seit einiger Zeit wohnte und einen Schweizer kennen und lieben lernte. Es war ein komplett neues Leben, es gab damals in Moudon auch schwierige Momente. «Das Schulsystem war für mich sehr schwierig. Aber für mich war entscheidend, dass ich wieder bei meiner Mutter war – und deshalb kam mir alles in der Schweiz paradiesisch vor.» Der Fussball war in diesen ersten Wochen im neuen Land noch weit weg. «Viele Afrikaner wollen nach Europa, aber bei mir war das gewiss nicht wegen dem Fussball so.» In Kamerun hatte Oberlin nie offiziell Fussball gespielt, «nur vor unserem Haus mit meinem Bruder». Auch deshalb begann er seine Fussballlaufbahn in der Schweiz in einem kleinen Verein, dem FC Etoile-Broye. Über das Team Vaud fand er in den Spitzenfussball, 2011 ging es nach Zürich. Dort wurde er Nachwuchsnationalspieler und schnell wurde er beim FC Zürich mit einem Profivertrag ausgestattet und in den Trainingsbetrieb der ersten Mannschaft integriert. In der Saison 2013/2014 macht Dimitri Oberlin sein erstes Spiel für das Super-League-Team des FCZ. Am 18. Mai 2014 wird er beim 2:2 gegen den FC Aarau für die letzte Spielminute eingewechselt. Es sollte seine einzige Meisterschaftsminute bleiben.

(ds/nl/Foto: Keystone)